„Es gibt Spielregeln“

Eichhof-Vorstand und Stiftungsratsvorsitzender äußern sich zur Kritik aus Belegschaft, zu Kündigungen und strukturellen Veränderungen.

Zur Situation im Eichhof-Krankenhaus, zur Häufung von Kündigungen in verschiedenen Abteilungen der Eichhof Stiftung und zur Kritik aus der Belegschaft am Führungsstil und der Arbeit des Vorstandes nimmt nun der hauptamtliche Vorstand Mathias Rauwolf im Gespräch mit unserer Zeitung Stellung. Mit dabei war auch Dr. Gerhard Schlitt, der Vorsitzende des Stiftungsrates, des Aufsichtsgremiums der Eichhof-Stiftung, der sich ebenfalls punktuell zu den Stiftungsrat betreffenden Themen äußert.

Welche Auswirkungen haben die aktuellen Kündigungen auf die Eichhof-Stiftung beziehungsweise das Krankenhaus aus Ihrer Sicht?

Mathias Rauwolf: Es gibt keine Auswirkungen. Wir haben grundsätzlich einen guten Unterbau mit Leistungsträgern – leitenden Oberärzten – in der zweiten Reihe. Wenn der „Kopf“ geht, kommt gewiss auch etwas Neues nach. Wenn Mitarbeiter kündigen, ist das nicht zu verhindern. Gerade in der Pandemie sind viele ausgebrannt. Das habe ich auch in persönlichen Gesprächen erfahren, in denen es vorkam, dass Mitarbeiter weinend vor mir saßen. Grundsätzlich sind wir mit unseren Abteilungen und dem Krankenhaus gut aufgestellt, gut vernetzt und arbeiten insbesondere mit dem Fuldaer Klinikum sehr gut zusammen.

Wer wird nach dem Weggang von Chefarzt Tobias Plücker die Kardiologie und das Coronamanagement übernehmen? Gibt es jemanden, der wie er als Hygieneverantwortlicher fungieren kann?

Rauwolf: Es gibt noch keine Nachfolgeregelung, da noch Gespräche geführt werden sollen. Wir haben einen sehr guten Krisenstab. Grundsätzlich kann jeder Chefarzt die Leitung übernehmen. Es wird hierfür eine gute Lösung geben. Auch die Versorgung der Patienten ist durch personelle Veränderungen grundsätzlich nicht gefährdet.

Aus der Belegschaft wird Ihr Führungsstil kritisiert. Sie träfen Entscheidungen, ohne dass Betroffene vorher informiert würden, Entscheidungen seien nicht transparent. Wie sehen Sie das?

Rauwolf: Ich gehe mit jedem Mitarbeiter wertschätzend und würdevoll um. Natürlich muss ich aber auch Dinge offen aussprechen. Ich bin auch in schwierigen Gesprächen ruhig und sachlich. Und jeder Mitarbeiter muss am Ende auch mit hoch erhobenem Haupt aus dem Zimmer gehen können. Aber es gibt – wie in einem Fußballspiel – natürlich auch Spielregeln. Es kann nicht jeder tun und lassen, was er will. Durchaus schwierig gestaltet sich der Umgang mit dem Betriebsrat. Das war schon in der Vergangenheit so und ist auch nach dessen Neuwahl noch immer zum Teil problematisch.

Dr. Gerhard Schlitt: Der Grundtenor in der Mitarbeiterschaft der Eichhof-Stiftung ist aber keinesfalls so negativ wie öffentlich dargestellt. Bei personellen Entscheidungen haben Mathias Rauwolf und der Bereichsleiter Personal als zuständige Entscheidungsträger die betroffenen Personen regelmäßig auch angehört und ihre Beschlüsse begründet. Bei Kündigungen gibt es natürlich immer zwei Seiten der Darstellung, die auch der Stiftungsrat objektiv einordnen muss.

Bei Ihrer 100-Tage-Bilanz sagten Sie, Ihre Tür stehe immer offen, Sie wollten alle Chefärzte an einen Tisch holen und abteilungsübergreifend Probleme besprechen, um stärker zu werden. Und ein gutes Klima sei kein Selbstläufer. Das mit dem „Wir“ und dem „guten Klima“ scheint beides nicht so gut gelungen zu sein, oder?

Rauwolf: Ich sitze jede Woche mit den Chefärzten zusammen und bespreche alle wichtigen und nötigen Dinge. Ich kann leider nicht alles beeinflussen.

Schlitt: In der Chefarztsitzung, an der ich erst vor Kurzem teilgenommen habe, herrschte eine freundliche Atmosphäre. Auch künftig werde ich vermehrt an derartigen Sitzungen teilnehmen. Es scheint aber einzelne zu geben, die jetzt aus persönlichen Gründen der Stiftung und dem Vorstand schaden wollen. Das Klima ist nicht so schlecht, wie es einige wenige gerade machen wollen. Das, was zurzeit öffentlich dargestellt wird, ist ein Zerrbild. Viele Mitarbeiter haben zwischenzeitlich ihre Solidarität zum Vorstand bekundet. Aber wir haben die Situation zum Anlass genommen, die interne Kommunikation zu intensivieren.

Dem Vernehmen nach gab es aktuell einen Wechsel bei der Leitung der Notaufnahme. Dr. Johannes Roth soll nach 14 Jahren abgesetzt und ein anderer Arzt eingesetzt worden sein, der aber auch vergangene Woche gekündigt habe. Wer leitet jetzt die Notaufnahme verantwortlich?

Rauwolf: Dr. Johannes Roth, Chefarzt für Innere Medizin/Gastroenterologie, leitet die Notaufnahme weiterhin neben seinen anderen Aufgaben und Zuständigkeiten. Der Bereich soll aber künftig wegen seiner großen Bedeutung – 75 Prozent der Patienten kommen über die Notaufnahme in unser Haus – eigenständig geführt werden. Der Arzt, der den Part übernehmen sollte, hat überraschend eine Kassenarztzulassung in Alsfeld erhalten, was er bei seiner Berufung noch nicht wusste. Deshalb sind wir jetzt auf der Suche nach einem neuen Arzt, der diese wichtige Position besetzen kann.

Die Situation der Krankenhäuser ist schwierig. Dem Vernehmen nach soll das Krankenhaus aktuell ein Defizit von rund drei Millionen Euro haben. Ist alleinig die Corona-Pandemie Ursache? Sollten Corona-Hilfen fließen, würden die das Loch denn stopfen? Oder gibt es auch andere Gründe – etwa hohe Investitionen in neue medizinische Bereiche?

Rauwolf: Corona hat alle Krankenhäuser getroffen. Auch uns. 2020 war für uns ein positives Jahr. Nachdem die Ausgleichszahlungen des Bundes Mitte dieses Jahres ausgelaufen sind, ist bei uns ein Defizit entstanden, das ausschließlich durch Corona bedingt ist, weil ein Großteil des normalen OP-Programms nicht stattfinden konnte. Wie hoch das Defizit am Ende des Jahres sein wird, ist noch offen. Ausgleichszahlungen für alle Krankenhäuser sind bereits im Gespräch. Wie bereits in dem Pressebericht des Stiftungsrates dargestellt, waren auch die Investitionen erforderlich, um das Krankenhaus zukunftssicher aufzustellen. Diese rechnen sich auch nicht sofort, sondern haben erst mittelfristig ihre positiven Auswirkungen.

Der Stiftungsrat sprach jüngst in seiner Stellungnahme von möglichen Einsparpotenzialen in verschiedenen Krankenhausabteilungen und Umstrukturierungen. Was genau müssen wir uns darunter vorstellen? Gibt es bereits konkrete Maßnahmen und Schritte?

Rauwolf: Prozesse müssen optimiert und vereinfacht werden. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir neue Abteilungen und andere Berufsgruppen ins Haus geholt haben. Gefäßchirurgie, Unfallchirurgie ... – um nur einige Beispiele zu nennen. Der Workflow muss neu strukturiert werden, um Patienten bestmöglich durchs Haus „zu schleusen“ und beispielsweise die gesetzlichen Vorgaben für die Liegezeiten einzuhalten. Für das OP-Management heißt das, alle Slots richtig zu planen, morgens zeitig anzufangen, damit nachmittags möglichst alle Eingriffe beendet sind. Das wiederum hat auch positive Auswirkungen auf die Mitarbeiter, die weniger Überstunden machen müssen. Wir sparen auch beim Einkauf und schauen, wo Produkte ersetzt werden können. Aber auch beim Input sind Verbesserungen möglich. Meine Aufgabe ist es, zu schauen, wie es läuft. Wo es gut läuft, da lasse ich die Finger von. Dort, wo Strukturen eingefahren sind, können eventuell Veränderungen greifen.

Es gibt Unkenrufe, hinter all den Veränderungen – auch in personeller Hinsicht – , könnte ein Plan stehen, das Krankenhaus für einen großen Konzern übernahmereif zu machen… Können Sie das verneinen?

Rauwolf: Ja, das kann ich ganz klar verneinen.

Schlitt: Auch ich kann das mit Entschiedenheit verneinen. Unser Ziel als Stiftungsrat ist es, als Krankenhaus die Nummer eins im Vogelsberg zu bleiben. An diesem Ziel müssen wir alle – Stiftungsrat, Vorstand sowie Chefärzte und das gesamte Personal gemeinsam – arbeiten. Hierzu haben sich in der letzten Chefarztsitzung alle bekannt und versichert, dabei mitzuwirken. Das Modell der Stiftung mit allen dazugehörigen Einrichtungen hat Zukunft – ebenso der Stiftungszweck, für die Menschen da zu sein. Wir genießen zudem den „Luxus“, ein relativ großes Stiftungsvermögen zu haben, mit dem wir aber mit der nötigen Sorgfalt umgehen müssen.

Es gibt viele Stimmen, auch aus der Landespolitik, die für den Vogelsberg, beziehungsweise Lauterbach und Alsfeld, eine gemeinsame Krankenhaus-Lösung präferieren. Das war in der Vergangenheit schon mal Thema, ist aber aus den verschiedensten Gründen und Befindlichkeiten gescheitert. Jetzt wäre doch durch den anstehenden Neubau bzw. die Sanierung des Kreiskrankenhauses Alsfeld eine gute Gelegenheit, das Projekt erneut anzugehen. Was halten Sie von einer gemeinsamen Lösung? Gibt es Ihrerseits dazu schon einen Plan bzw. einen Vorstoß in Richtung Kreisspitze?

Rauwolf: Es steht uns nicht zu, über die Zukunft des Alsfelder Krankenhauses zu urteilen. Wir wollen nicht in den politischen Diskurs kommen. Es ist Aufgabe des Landrates und der Kreispolitik, das Haus zu strukturieren. Nicht eine neue Hülle ist entscheidend für die Zukunft eines Hauses, sondern gute Mitarbeiter sind das A und O, sie zu finden und zu halten, ist die zentrale Herausforderung für die nächsten Jahre.

Schlitt: Wir als Stiftung haben aktuell kein Interesse, das Alsfelder Haus zu übernehmen. Das ist bekanntermaßen bereits in der Vergangenheit gescheitert, da man sich nicht auf Augenhöhe begegnet ist und die rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen zu unterschiedlich waren. Die Kommunalpolitik ist gefragt, was die grundsätzliche Ausrichtung des Alsfelder Hauses betrifft. Mittelfristig könnte man allenfalls über eine Kooperation in einzelnen Bereichen nachdenken; grundsätzlich verschließen wir uns vor nichts.

Noch mal was Persönliches: Als Haupt-Beweggrund von München bzw. Rosenheim nach Lauterbach zu wechseln, nannten Sie vor rund zwei Jahren in Ihrer 100-Tage-Bilanz Ihre Familie mit Mutter und Geschwistern in Kassel. Ihre Frau und Ihre Kinder leben in München. Ihre Präsenz in Lauterbach beschränkt sich auf rund dreieinhalb Tage in der Woche. Die übrige Zeit sind Sie im „Homeoffice“ in München. Genügt das, um ein solches Unternehmen zu führen, am Puls der Zeit zu sein?

Rauwolf: Meine Familie ist meine Privatsache. Von Anfang an wurde mir vertraglich zugesichert, dass ich von Montag bis Donnerstag in Lauterbach präsent bin und den Rest meiner Zeit im Homeoffice arbeite. Mein Tag endet nicht um 16 Uhr, ich stehe rund um die Uhr für die Eichhof-Stiftung zur Verfügung. In Coronazeiten sind viele Menschen im Homeoffice. Das bietet sich durch die Ruhe für mich auch fürs strategische Arbeiten an, zudem führe ich viele Telefonate mit Ärzten auch abends nach deren Sprechstunden und Dienstzeiten.


„Differenzen mit mir nicht alleinige Kündigungsursache“

Eichhof-Vorstand Mathias Rauwolf äußert sich zur Kritik an seiner Person und zu den Kündigungen von Mitarbeitern zusätzlich zum Interview auf persönlichen Wunsch noch in einer Stellungnahme. Er sei im November 2019 angetreten, die Eichhof-Stiftung Lauterbach „in eine solide und tragfähige Zukunft zu führen“. Es verstehe sich von selbst, dass notwendige strukturelle Veränderungen an manchen Stellen zum Diskurs mit beteiligten Personen führten. „Ich bin angetreten, um die Entwicklung des Hauses zu verbessern und zu optimieren, nachdem sich sämtliche Führungskräfte über die früheren Strukturen beschwert bzw. negativ geäußert hatten. Mein Anliegen war und ist, möglichst sämtliche Mitarbeiter dabei mitzunehmen. Dass diese Aufgabe als mittel- und sogar langfristiges Projekt zu sehen ist, versteht sich dabei von selbst. Es nimmt Zeit in Anspruch, aus vielen einzelnen Puzzleteilchen ein großes Ganzes zu entwickeln.“

Verständlicherweise gebe es in einem solchen Prozedere immer auch Einzelinteressen. Offenbar kristallisiere sich nun aktuell heraus, dass diese nicht immer für einen Kompromiss tragfähig genug seien. Einzelne Mitarbeiter der Stiftung verfolgten ersichtlich eine eigene Agenda und hätten „die Medien instrumentalisiert und den Weg der Presseveröffentlichung dazu benutzt, einzelne und individuelle Sichtweisen als vermeintliches Stimmungsbild der gesamten Mitarbeiterschaft auszugeben. Dies entspricht definitiv nicht den Tatsachen und spiegelt ein falsches Bild vom Empfinden des Gesamtpersonals im Haus wider“, ist Rauwolf überzeugt.

„Kompromisse erzielen“

Bei allen Bemühungen könne es ihm nicht gelingen, es stets allen recht zu machen. Vielmehr gehe es in allererster Linie darum, im Operativen mehrheitsfähige Kompromisse zu erzielen. „Seit meinem Dienstantritt pflege ich daher in wöchentlichen Zusammenkünften die enge Abstimmung mit den Chefärzten und den Bereichsleitungen, um im persönlichen Gespräch die gemeinsame Zielsetzung und die dazu passenden Leistungsstrukturen der jeweiligen Fachabteilungen zu erarbeiten. So haben wir auch gemeinsam den bisherigen Verlauf und die schwierige Zeit der Corona-Pandemie gemeistert. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen hat der Vorstand dem Corona-Krisenstab in enger Abstimmung mit den Verantwortlichen weitreichende Befugnisse erteilt. Ich bin sämtlichen Mitarbeitern zutiefst dankbar für ihren herausragenden Einsatz und den Zusammenhalt, der – entgegen den aktuellen Darstellungen in der Öffentlichkeit – von konstruktivem Miteinander gekennzeichnet ist“, so Rauwolf.

Soweit einzelne Personen sich dazu entschieden hätten, ihre Kündigung auszusprechen, dürfe nicht unerwähnt bleiben, dass es sich hierbei auch um persönliche Entscheidungen und Motivlagen handele, die es zu respektieren gelte. „Die Darstellung, dass Differenzen mit mir persönlich als alleinige Ursache der Kündigungen zu sehen sind, weise ich entschieden zurück, da dies nicht der Wahrheit entspricht. Darüber hinaus gibt es betriebliche Interna, bei denen es sich verbietet, diese medial zu kommentieren, geschweige denn zu kommunizieren“, betont Eichhof-Vorstand Mathias Rauwolf und wünscht sich eine Rückkehr zur mehr Sachlichkeit.