„Dynamik ist beträchtlich“

Lauterbacher Krankenhaus behandelt acht Corona-Patienten aus dem Vogelsberg / Erste Patienten-Verlegung aus Rhein-Main-Gebiet.

Die Coronazahlen steigen. Auch der Vogelsbergkreis bleibt davor nicht verschont. Aktuell sind offiziell 126 aktive Fälle gemeldet. Der Großteil der Infizierten erlebt leichtere Verläufe in häuslicher Quarantäne. Dennoch steigt auch die Zahl derer, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. „Die Dynamik ist beträchtlich. Das sah letzte Woche noch ganz anders aus“, sagt Tobias Plücker, der Chefarzt für Innere Medizin und Kardiologie am Lauterbacher Eichhof-Krankenhaus, der auch Hygienebeauftragter der Klinik ist, bei dem in Sachen Corona-Management alle Fäden zusammenlaufen.

Derzeit werden drei COVID-19-Patienten auf der Intensivstation des Lauterbacher Krankenhauses behandelt und zum Teil beatmet. Fünf Infizierte befinden sich – isoliert – auf der Normalstation. Die Tendenz ist steigend. „Zumal der Druck in größeren Kliniken wächst, die allmählich an ihre Kapazitätsgrenzen kommen“, weiß Plücker und berichtet, dass am Donnerstag die erste Patientin aus dem Rhein-Main-Gebiet wegen dortiger Engpässe ins Eichhof-Krankenhaus verlegt wurde.

Mit wachsender Sorge und sehr aufmerksam beobachteten die Mitglieder der Corona-„Task-Force“ der Klinik die Entwicklung der Fallzahlen, um entsprechend zu reagieren. Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr wurden die Pforten für Besucher geschlossen. „Wir hatten bisher noch keine Corona-Station ausgewiesen, treffen uns aber täglich im Krisenstab und besprechen die Lage“, erzählt Plücker und ergänzt, dass aufgrund der aktuellen Entwicklung die Inbetriebnahme der Corona-Isolierstation an diesem Freitag nun anstehe, um wegen der zunehmenden Zahl von Infizierten oder auch bei Verdachtsfällen eine klare räumliche Trennung von den anderen Abteilungen des Hauses zu schaffen. Aktuell sind vier Isolierzimmer für Corona-Patienten vorgesehen. Stiegen die Fallzahlen weiter und trete der Pandemieplan in Kraft, könnte die Isolierstation weiter vergrößert werden. Zunächst sind laut Plan auf einer halben Stationsebene 24 Zimmer mit 48 Betten vorgesehen, die innerhalb weniger Stunden in Betrieb genommen werden können. Die Zahl der Betten, in denen Patienten beatmet oder anderweitig intensivmedizinisch betreut werden können, hat sich am Krankenhaus Eichhof seit Ausbruch des Corona-Virus in Deutschland von sechs auf elf Einheiten nahezu verdoppelt. „Neun weitere Intensivbetten könnten wir im Notfall rekrutieren“, so der Chefarzt.

Noch laufe am Krankenhaus der OP-Betrieb normal. „Wir schauen natürlich jeden Tag, ob sich die planbaren Eingriffe zeitlich etwas strecken lassen, um uns Puffer für Notfälle zu verschaffen“, informiert Plücker. Durchaus möglich sei es angesichts der rasanten Entwicklung auch, dass weitere Patienten aus der Rhein-Main-Region übernommen werden müssten. „Die Situation war im Frühjahr nicht so. Da waren wir nie in der Nähe eines Limits“, gibt Plücker zu bedenken. Größere Kliniken vor allem in den Ballungsgebieten führen ihre OP-Pläne bereits massiv runter, obwohl eine diesbezügliche Anweisung seitens des Gesundheitsministers noch nicht erfolgt sei. Am Eichhof-Krankenhaus halte man den Regelbetrieb derzeit noch aufrecht. „Wir haben aber mit ein paar Augen die Corona-Lage im Blick“, formuliert es der Mediziner.

Die schnelle Ausbreitung des Virus findet der 48-Jährige „erschreckend“. Und er warnt nach wie vor vor dieser schweren Erkrankung, die zwar – aufgrund der Erfahrungen mit ihr – besser behandelbar, die aber dennoch tückisch sei. Seien Schwerkranke im Frühjahr durchschnittlich 50 Tage beatmet worden, seien es jetzt etwa 14 Tage. Was aber keine Entwarnung bedeute, da die Fallzahlen aktuell weit höher lägen.

In Sachen Schutzkleidung und Hygienematerial ist das Lauterbacher Krankenhaus – im Gegensatz zum Frühjahr – bestens gerüstet. „Wir sind mit allem auf der sicheren Seite. Wir sind bei den Landeszuteilungen berücksichtigt worden, außerdem hat unser Einkauf vorgesorgt“, sagt Plücker. In der Probephase befinde man sich gerade beim Einsatz von Corona-Schnelltests, die hauptsächlich am Wochenende eingesetzt würden, um sich bei Verdachtsfällen ein erstes Bild zu verschaffen, die aber den herkömmlichen Test nicht ersetzten.

Mitarbeiter des Krankenhauses haben sich laut Plücker im Dienst bisher nicht mit Corona infiziert. Regelmäßig würden sie nach Kontakten mit nachweislich Infizierten oder auch beim Auftreten bestimmter Symptome getestet.

Dass der Lockdown Wirkung zeigt, hofft der Chefarzt und warnt noch einmal nachdrücklich vor „der schweren Erkrankung, die sich erschreckend schnell verbreitet“ habe. „Wir müssen alles tun, um von den hohen Zahlen runterzukommen“, sagt der Mediziner, der sich auch selber in seinem privaten Umfeld weitestgehend Isolation verordnet und die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert hat.

KEINE CORONA-PATIENTEN IN ALSFELD

Im Kreiskrankenhaus in Alsfeld ist die Lage mit Blick auf COVID-19-Patienten noch entspannt. Auf Nachfrage erklärt Christian Lips von der Kreis-Pressestelle am Donnerstagmittag, dass in Alsfeld aktuell keine Corona-Patienten behandelt würden. Daher seien auch keine Intensiv-Betten mit Corona-Erkrankten belegt. Die Belegung der Intensivbetten ändere sich ganz generell halbtäglich und „hängt vom OP-Plan ab“, so Lips. In Alsfeld selbst gibt Lips die Gesamt-Kapazität der Intensivbetten mit „3+3“ an. Auf die Frage, wie gut sich das Krankenhaus für die zweite Welle der Coronainfektionen gerüstet fühlt, erklärt Lips „gut.“ Aus Sicht der Krankenhausleitung gibt es „keinen Unterschied“ zwischen der jetzigen Situation und dem Frühjahr.

Mit Blick auf die steigenden Coronazahlen erklärt Kreis-Gesundheitsdezernent Jens Mischak (CDU): „Teilweise müssen Patienten intensiv-medizinisch betreut werden und ringen mit schweren Verläufen der Erkrankung. Deshalb erneut der Appell: Nehmen Sie die schützenden Maßnahmen ernst. Achten Sie auf Abstands- und Hygieneregeln und nehmen Sie verantwortungsvolle Rücksicht auf ihre Mitmenschen und sich selbst.“

Benjamin Gössl