Chef mit offenen Türen

Die Lauterbacher Eichhof-Stiftung hat seit 1. November vergangenen Jahres einen neuen Chef: Der 53-jährige Mathias Rauwolf lenkt als hauptamtlicher Vorstand die Geschicke des Unternehmens, dem neben dem Krankenhaus auch die Sozialstation Eichhof, das Seniorenzentrum Schlitzerland, das Palliativteam Waldhessen und die Vogelsberger Lebensräume mit rund 850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angehören. An diesem Samstag ist er 100 Tage im Amt. Zeit für eine erste Bilanz.

Herr Rauwolf, Ihre 100-Tage-„Schonzeit“, wie man so schön sagt, ist vorbei: Sind Sie in Ihrem neuen Arbeitsumfeld in Lauterbach angekommen?

Ja, ich bin angekommen. Ich bin hier sehr freundlich empfangen worden. Ich identifiziere mich mit der Eichhof-Stiftung. Das Schlösschen (die Verwaltung der Eichhof-Stiftung, Anmerkung der Redaktion) ist wieder ein Ort der Kommunikation und des Austauschs zwischen den Pflegekräften, den Ärzten und der Verwaltung. Ich habe meine Entscheidung, nach Lauterbach zu wechseln, nicht bereut. Ich musste mich hier bisher noch keinen einzigen Millimeter verbiegen.

Was war Ihr Beweggrund, sich auf die Stelle in Lauterbach zu bewerben?

Die Nähe zur Familie. Ich komme gebürtig aus Kassel, meine Mutter lebt noch dort, ebenso Geschwister und alte Freunde. Das ist ein Stück Heimat. Ich komme sozusagen „back to the roots“ – zurück zu den Wurzeln.

Haben Sie inzwischen allen rund 850 Mitarbeitern persönlich die Hand geschüttelt?

(Lacht). Fast allen, so vermute ich. Wir hatten eine tolle Weihnachtsfeier und erstmals einen Neujahrsempfang, dort habe ich alle anwesenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern per Handschlag begrüßt. In den zurückliegenden 100 Tagen habe ich alle Einrichtungen der Eichhof-Stiftung besucht. Einmal im Monat wird es dort jeweils auch einen jour fix zum Informationsaustausch geben, damit ich trotz der Eigenständigkeit der führenden Mitarbeiter weiß, was wo passiert. Die Mitarbeiter sind das wichtigste Gut unseres Hauses, die gilt es für mich, zu hegen und zu pflegen. Und als einer der größten Arbeitgeber im Vogelsbergkreis haben wir auch eine große Verantwortung. Mit der Führungsmannschaft möchte ich klare, transparente Strukturen schaffen. Ärzte und Führungsebene sind künftig in Entscheidungsprozesse eingebunden.

Sie sind aus Bayern in den Vogelsberg gewechselt: Wo in Hessen sind Sie denn inzwischen heimisch geworden? Ist Ihre Familie mit Ihnen umgezogen?

Meine Frau und meine beiden 15 und 18 Jahre alten Töchter leben noch in München. Meine Kinder sollen dort ihre Schule beenden. Das haben wir gemeinsam entschieden. Ich habe eine Wohnung in Fulda. Die halbe Stunde Fahrt nach Lauterbach und zurück macht den Kopf frei. An den Wochenenden bin ich von Fulda mit dem ICE relativ schnell in München, und ich mag die städtische Atmosphäre.

Sie haben relativ schnell nach Ihrem Amtsantritt ­ – vermutlich im Einvernehmen mit der Mehrheit der Mitglieder des Stiftungsrates – Entscheidungen getroffen, die durchaus erwartet wurden, aber dennoch für einiges Aufsehen gesorgt haben: Sie haben den bisherigen Verwaltungsdirektor Dr. Christof Erdmann, dessen Vertrag noch bis Ende des Jahres läuft, beurlaubt. Was waren die Gründe?  Und wie könnte Ihrer Meinung nach ein möglicherweise teurer Arbeitsgerichts-Prozess vermieden werden?

Ich bitte um Verständnis, dass ich zu Dr. Christof Erdmann nichts sagen kann. Es handelt sich um ein laufendes Verfahren. Sein Vertrag läuft bekanntermaßen bis Ende des Jahres. Er ist vorerst beurlaubt.

Dem Stiftungsrat gehört mit dem ehemaligen Schlitzer Bürgermeister Hans-Jürgen Schäfer auch der ehemalige ­ – ehrenamtliche – Vorstandsvorsitzende der Eichhof-Stiftung an, der gegen seinen Willen seinen Posten räumen musste und zusammen mit den anderen beiden Vorständen vergeblich versucht hatte, einen hauptamtlichen Vorstand zu verhindern und Erdmann zu halten. Ist das für Sie ein Problem?

Nein. Wir haben ein gutes Miteinander im Stiftungsrat. Das Gremium tagt im Normalfall vier Mal im Jahr. Darüber hinaus  tausche ich mich regelmäßig mit dem Stiftungsratsvorsitzenden Heinrich Mai und dessen Stellvertreter Dr. Wolfgang Kniepert aus.

Bei Ihrem Amtsantritt sagten Sie, dass es Ihr Ziel sei, das Profil der Eichhof-Stiftung zu schärfen. Welches Profil hat die Eichhof-Stiftung Ihrer Meinung nach zurzeit und wie soll es künftig sein?

Mein Ziel ist es, die Eichhof-Stiftung und ihre verschiedenen Einrichtungen und Abteilungen nach außen noch transparenter zu machen. Und zu zeigen, dass die rund 900 Mitarbeiter jeden Tag ihr Bestes geben und hier eine sehr gute Arbeit für Menschen geleistet wird. Die Eichhof-Stiftung soll als Marke etabliert werden. Damit das gelingt, möchte ich einen stärkeren Austausch mit den hier niedergelassenen Ärzten. Ich werde mich im Mai im Hausarztzirkel vorstellen und darüber hinaus auch das persönliche Gespräch mit ihnen suchen.

Ein weiteres Ziel, das Sie nannten, war, die medizinischen Leistungen des Krankenhauses weiter auszubauen: Welche Leistungen fehlen dem Krankenhaus Ihrer Meinung nach, was kann verbessert werden?

Das Krankenhaus ist Perse gut aufgestellt. Wir arbeiten ständig an einer noch besseren Versorgung der Patienten. Ein Beispiel ist das neue Herzkatheter-Labor mit einer 24-Stunden-Rundum-Versorgung. Durch Umstrukturierungen in den Abteilungen möchten wir die Bindung der Ärzte ans Haus stärken. Um noch stärker zu werden, sollen alle Chefärzte regelmäßig an einen Tisch, um abteilungsübergreifend Probleme zu besprechen und sich gegenseitig zu unterstützen.

Krankenhäuser dieser Größe stehen vor großen Herausforderungen. Wir müssen beste Leistungen anbieten und in finanzieller Hinsicht einen soliden Kurs fahren, um das Krankenhaus erfolgreich in die Zukunft zu führen. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns. Gerade haben wir ein Medizinisches Versorgungszentrum mit dem Internisten Josef Watzek in unserem Haus gegründet. Das MVZ ist ein Modell, das sicher in Zukunft weiter ausgebaut wird.

Ihr drittes Vorhaben war, die Mitarbeiter für die Verwirklichung gemeinsamer Ziele zu gewinnen. Wie kommunizieren Sie mit den Mitarbeitern und was wollen Sie gemeinsam mit ihnen erreichen?

Meine Tür steht immer offen. Ich kann und will hier ein Chef zum Anfassen sein. Das habe ich in der Belegschaft bereits kommuniziert. Wenn ich jemandem über den Weg laufe, den ich noch nicht kenne, gehe ich auf ihn zu, stelle mich vor und komme ins Gespräch. Das ist eine Form von Wertschätzung, die zeigt, dass sie wichtig sind und dass ich sie auf dem gemeinsamen Weg mitnehmen möchte.

Ich habe in den vergangenen 20 Jahren meines Berufslebens nicht erlebt, dass Mitarbeiter so begeisterungsfähig sind wie hier. Ein gutes Klima ist kein Selbstläufer. Ein Leitbild nutzt nichts, wenn man es hinter den Spiegel klemmt, das muss man kommunizieren und leben. Mitarbeitern in schwierigen Situationen Rückendeckung zu geben und verbindlich zu sein, ist auch wichtig. Das setzen wir gerade in unserer psychiatrischen Abteilung um, wo wir nach außergewöhnlichen Vorkommnissen auf der geschlossenen Abteilung Präventions- und Schutzmaßnahmen erhöhen werden.

Wird Ihr berufliches Engagement für die Eichhof-Stiftung ein längerfristiges sein?

Ja, natürlich. Das ist mein Plan.

Wenn Sie mal nicht arbeiten: Was tun Sie in Ihrer Freizeit am liebsten?

Ich treibe Sport. Ich fahre Mountainbike oder – jetzt im Winter – Ski.


 ZUR PERSON

Im bundesweit ausgeschriebenen Bewerbungsverfahren für die Besetzung des hauptamtlichen Vorstandspostens hatte sich der 53-jährige Mathias Rauwolf unter 60 Bewerbern durchgesetzt.

Er ist seit 27 Jahren im Gesundheitswesen tätig, davon 23 Jahre in einer leitenden Position. Rauwolf war bei den RoMed-Kliniken als kaufmännischer Leiter für den Standort Prien am Chiemsee und gleichzeitig als Leiter der Wirtschafts- und Versorgungsdienste des Klinikverbundes der Stadt und des Landkreises Rosenheim verantwortlich. Zuvor war Rauwolf bei der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul in München tätig, wo er als Verwaltungsdirektor mehr als acht Jahre die Krankenhäuser und Pflegeheime sowie die Krankenpflege-Schule des Ordens geleitet hat. Vor seinem Wechsel nach München hatte er die Geschäfte der Kliniken des Landkreises Schwandorf mit drei Standorten geführt.

Rauwolf hat sein betriebswirtschaftliches Studium an der Hessischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie sowie an der Steinbeis-Hochschule Berlin absolviert und mit dem Master of Business Administration (MBA) abgeschlossen.

Er ist gebürtiger Hesse, verheiratet und hat zwei Töchter.

Mit der Ablösung des bisherigen dreiköpfigen ehrenamtlichen Vorstandes und dem damit verbundenen Kurswechsel, stellte sich die Lauterbacher Eichhof-Stiftung organisatorisch neu auf und setzte das um, was das Aufsichtsgremium der Stiftung, der Stiftungsrat, schon seit langem auf den Weg bringen wollte, um mit „zeitgemäßeren Strukturen“ das „Unternehmen Eichhof“ in die Zukunft zu führen. Der Stiftungsrat hatte mit dieser Neuausrichtung einen Schlusspunkt unter eine mit harten Bandagen geführte Auseinandersetzung mit den bisherigen Vorständen gesetzt, die alles versucht hatten, die neuen Strukturen zu verhindern. Der bisherige Verwaltungsdirektor Dr. Christof Erdmann, der 16 Jahre die Geschäfte geführt hat und als „Mann des alten Vorstands“ gilt, ist inzwischen beurlaubt, sein Arbeitsverhältnis ist aktuell ein Fall fürs Arbeitsgericht, da er auf Weiterbeschäftigung klagt.