Belastung steigt, Vergütung sinkt

Corona-Station des Lauterbacher Eichhofkrankenhauses ist voll belegt / Durch Wegfall der Freihaltepauschale droht finanzielle Schieflage.

Nach wie vor hoch ist die Zahl der Corona-Fälle im Vogelsbergkreis. Dass das Virus – nach dem Ausbruch in mehreren Altersheimen – zunehmend ältere Menschen bedroht, ist auch im Lauterbacher Krankenhaus deutlich spürbar, wie Tobias Plücker, der Chefarzt für Innere Medizin und Kardiologie am Lauterbacher Eichhof-Krankenhaus, bestätigt. Zehn Corona-Patienten werden aktuell im Lauterbacher Eichhof-Krankenhaus behandelt. Zwei liegen auf der Intensivstation, von denen einer beatmet werden müsse, acht würden auf der „Covid-Station“ betreut. Laut Plücker hat sich die Altersstruktur der Patienten im Vergleich zu den zurückliegenden Wochen komplett gedreht. Mit einer Ausnahme seien die Patienten weit über 70 Jahre alt. Da es sich zum Teil um Patienten handele, die schon vor ihrer Coronaerkrankung pflegebedürftig gewesen seien, sei der Betreuungsaufwand sehr hoch. Für die Pflegekräfte bedeute dies eine weitere Belastung, da schon die normale Pflege einen sehr hohen Aufwand unter sehr schweren Bedingungen darstelle. „Manche sind auch psychisch am Limit“, beschreibt er die Lage. Denn gerade die sehr alten Covid-Patienten hätten leider keine gute Perspektive. „Und das belastet die Kolleginnen und Kollegen sehr“, weiß Plücker und ergänzt: „Wenn es einer übersteht und nach Hause darf, tut das den Mitarbeitern richtig gut.“

Besetzt sind die Schichten auf der Covid-Station mit festen Teams, die wegen ihrer Expertise nicht regelmäßig ausgetauscht würden. Auf der Intensivstation kümmere sich in der Regel eine Pflegekraft um zwei Patienten, auf der „normalen“ Corona-Station seien zwei Pfleger für acht bis neun Patienten da. Und dass das die Mitarbeiter an die Belastungsgrenzen bringen kann, weiß Plücker nur zu gut. Denn neben der psychischen Belastung sei die Arbeit mit Schutzkleidung extrem anstrengend. „Sich mehrfach in einer Schicht umzuziehen, ist an der Tagesordnung.“ Denn nicht immer sei es möglich, von einem Zimmer ins andere zu gehen, ohne die Schutzkleidung zu wechseln. Etwa – wenn ein Patient „nur“ coronainfiziert und der andere im Nachbarzimmer vielleicht noch eine andere Infektion habe.

Neben der medizinischen Herausforderung, die die Corona-Pandemie für das Eichhof-Krankenhaus mit sich bringt, gibt es in diesem Herbst auch eine wirtschaftliche. „Corona könnte für viele Krankenhäuser den wirtschaftlichen Ruin bedeuten“, findet der Chefarzt deutliche Worte. Denn seit dem Wegfall der sogenannten Freihaltepauschale Ende September, mit der das Vorhalten von Betten für Corona-Patienten vom Bund vergütet wurde, geraten gerade kleinere Krankenhäuser der Mindest-, Grund- und Regelversorgung mehr und mehr in Schieflage. Denn bei der nun geltenden Neuregelung der Vergütung würden die finanziell gar nicht mehr berücksichtigt. Und da müsse dringend nachgebessert werden, fordert Plücker. „Schließlich wollen die Mitarbeiter am Ende eines jeden Monats Geld und nicht Applaus.“

Um die Covid-Station einzurichten und personell betreuen zu können, sei im Haus eine internistische Station komplett geschlossen worden. Was in der Konsequenz bedeute, dass weniger Patienten aufgenommen werden und weniger Operationen stattfinden könnten. Und dass die Covid-Station dringend gebraucht werde, zeigten die Belegungszahlen. Denn überall im Land seien Krankenhäuser derzeit am Limit. „Wir waren aufgrund der hohen Belegung in den vergangenen Wochen mehrfach von der Notfallversorgung abgemeldet, da wir keinen Patienten mehr aufnehmen konnten“, berichtet Plücker.

„Und wenn wir hier – statt 20 Patienten im Normalbetrieb – nur die Hälfte Coronakranke behandeln, die noch dazu einen sehr hohen Pflegeaufwand bedeuten, bringt das finanziellen Druck“, sagt der Chefarzt, der fordert, dass die Politik ein System etablieren müsse, das die Behandlung von Covid-19-Patienten im Budget berücksichtigt. Mit der jetzigen Regelung würden die kleineren Krankenhäuser für ihr Engagement bestraft. Mit den Ausgleichszahlungen, die bis Ende September geflossen seien, „sind wir bisher gut durch die Krise gekommen“, ergänzt Eichhof-Vorstand Mathias Rauwolf, wie sich die Situation nun entwickeln werde, müsse kritisch beobachtet werden.

Dass das jetzige System die Zahl der Betten für Covid-Patienten massiv verringern könnte, fürchtet indes auch die Hessische Krankenhausgesellschaft, die ein Nachbessern gegenüber der Politik fordert, da es das hessische Krisenmanagement konterkariere. Denn: Hessen bemühe sich, die Auslastung in der Pandemie möglichst gut zu verteilen und vor allem die größten Kliniken mit den besten Versorgungsmöglichkeiten für schwere Fälle freizuhalten. Dafür müssten sie mit den kleineren Krankenhäusern kooperieren. Würden die nicht angemessen vergütet, hielten sie keine Betten mehr frei.

Aktuell hält das Lauterbacher Krankenhaus Pflegepersonal für zwölf Corona-Patienten vor. Sollte die Zahl der Patienten weiter steigen und die Zahl der Covid-Betten und der Personalbestand müssten weiter erhöht werden, würde dies bei unveränderter Vergütung weitere Verluste fürs Krankenhaus bedeuten. Denn dann müssten weitere Pflegeteams von anderen Stationen abgezogen werden, die dann ebenfalls vorübergehend zu schließen wären.

Eine Entspannung der Lage ist für den Lauterbacher Chefarzt – trotz verlängertem Teil-Lockdown – nicht in Sicht. Die angekündigte Weihnachtsunterbrechung findet er persönlich problematisch: „Dem Virus ist Weihnachten egal. Es wird nach Weihnachten wieder einen Anstieg geben“, prognostiziert Plücker. Und um den „aushalten zu können“, müssten sich die Menschen auch über die Feiertage konsequent an die Hygiene- und Abstandsregeln halten ...